Montag, 1. Mai 2017

Permakultur, Verschwörungstheorien und das Denken der Anderen.

Kürzlich besuchte ich einen Lehrgang für Permakultur im schweizerischen Emmental. Bei dem, was dieser sperrig klingende Begriff meint, geht es um eine alte, fast vergessene Art auf das Leben zu schauen, das in der Natur genauso wie das eigene. Marcus, unser Tutor, sprach über Planung und wie man dadurch den Dingen die gewünschte Richtung gibt und führte uns vor, was dauerhaft funktionierende Kreisläufen sind und wie man sie schafft. In einfachen Worten: Er redete vom Paradies. Und ich, ich war angezaubert. 

Zudem erzählte er mit der Ausdauer eines Duracell-Häschens und viel Begeisterung. Lange schon denke ich über diese Themen nach. Ich glaube nämlich, dass die Welt, so wie wir sie gemacht haben, bei weitem nicht so gut ist, wie sie sein könnte. Wir Menschen versuchen seit 150 Jahren, uns die Natur untertan zu machen und bemerken kaum, wie wir sie dabei Stück für Stück verletzen.

Der Kurs fand auf einem Bauernhof im Emmental statt. Dort schaffen sich Daniela, Michael und seine Mutter, ihr Paradies unter ebendiesen permakulturellen Grundsätzen. Sie gaben dem Ort den Namen „Sonnenschmiede“ und wer dort war, versteht den Grund. Am Abend saßen wir zusammen und diskutierten über diese Art zu leben und die spezielle Sicht auf die Welt, welche dazu erforderlich ist.

Irgendwie landeten wir nach einigen Gläschen dabei, zu erörtern, warum die Welt so anders geworden ist, weshalb wir uns wegbewegt haben von dem, was guttut, der Erde und uns, die wir eine Weile auf ihr verbringen dürfen. Mehrmals fielen Worte wie „die“, womit diejenigen gemeint waren, die Verantwortung tragen für die Desaster der heutigen Zeit, für Fukushima, den Terror, das Elend, den Hunger und all die Ungerechtigkeit. Weil es mich interessierte, fragte ich, wer genau dieses „die“ denn sei und spürte Zögern bei der Antwort. Nach einigen Versuchen fiel dann ein Name: „Rothschild“.

Sofort begannen in mir die Alarmglocken zu schellen. Die Rothschilds, das Weltjudentum, die Freimaurer, ... alles Synonyme für etwas, dass ich aus tiefer Seele ablehne: für Verschwörungstheorien. Meine Versuche, das Thema weiter zu diskutieren, liefen ins Leere, was wahrscheinlich gut war, denn Gegner und Befürworter dieser Ideologie stehen sich in der Regel einigermaßen unversöhnlich gegenüber. Die einen halten die anderen für blind, weil sie die Fakten falsch interpretieren. Ab da gab es Spannungen zwischen dem Hausherrn und mir und wir gingen freundlich, aber doch argwöhnisch miteinander um.

Trotzdem, das Wochenende war gelungen und am Sonntagabend reiste ich gefüllt mit Eindrücken und Ideen nach Hause. Erst da fiel mir auf, dass ich meine Lieblingswanderschuhe in der Sonnenschmiede vergessen hatte. Also schrieb ich eine Mail, in der ich mich nochmal für das Erlebnis bedankte und darum bat, mir die Schuhe doch zuzuschicken. Am Ende konnte ich mir einen kleinen Exkurs in unser Diskussionsthema nicht verkneifen und übte unverhohlene Kritik an der nach meinem Geschmack konfusen Denke. Für mich ging dies nämlich so gar nicht mit der offenen und inspirierenden Stimmung in dem Haus zusammen. Kurz überlegte ich noch, ob ich die Mail wirklich so schicken soll, drückte dann aber den Button und weg war sie.

Danach las ich den Text nochmal und merkte, dass ich mich doch recht nah an die Grenze zur Beleidigung begeben hatte. „Mist“ dachte ich und „vielleicht bekomme ich meine Schuhe nun nicht mehr zurück“. Mehrmals bereute ich die gewählte Formulierung, insbesondere, weil ich keine Antwort bekam, denn sympathisch waren die Gastgeber trotz ihrer für mich „irrigen“ Weltsicht. Immer wieder sinnierte ich seit dem darüber, warum Menschen sich „Verschwörungen“ basteln, wo doch die Natur unserer Spezies zur Erklärung reicht.

Ich bereute, also das Geschriebene. Als ich mich fragte, weshalb ich das getan habe, kam heraus: Ich hatte mich geärgert, weil sie „meine“ Argumente nicht mal in Erwägung gezogen hatten. Ich die ihrigen natürlich auch nicht ... Beide sind wir offenbar fest in unserer jeweiligen Welt verankert. Für mich gibt es nämlich deutlich Wichtigeres, als herauszufinden, ob Georges Soros, die NSA, die Rothschilds, die Illuminaten oder doch „gewöhnliche“ Terroristen das World Trade Center zerstört haben. Schlimm sind die Opfer. Und denen dürfte ebenso egal sein, wer sie ermordet hat. Aber das ist eine andere Diskussion.

Heute Morgen nun bekam ich Antwort. Michael hat mir sehr lieb geschrieben und angeboten, die Sache bei nächster Gelegenheit nochmal zu diskutieren. Ich war froh und erkannte, dass er mir mit dieser Nachricht auch etwas gezeigt hat. Nämlich, dass ich offener sein und auch gegenteilige Geisteshaltungen gelten lassen muss. Andersdenkende denken eben auch. Nur anders.

Danke fürs Lesen.
Jürgen