Mittwoch, 25. Dezember 2013

Von gecrashten und neuen Träumen

Heute ist der 25. Dezember, überall erklingt Merry Christmas und ich erinnere mich an die Zeit vor genau einem Jahr. Damals schrieb ich über den Eindruck der ersten Weihnachten bei 26 Grad Celsius. Im Blog hielt ich fest, wie meine Frau und ich uns auf die Zukunft hier in Neuseeland freuten und wie wir das Hiersein genossen. Beim Lesen des Textes fühle ich noch immer die Zuversicht dieser Tage. Am Ende stand die wundervolle Feststellung: »Das Leben ist schön!«

12 Monate später hat sich etwas verändert. Sie sitzt in Deutschland bei ihrer Familie und ich auf dem Balkon meines Appartements in Aucklands Hobson Street. Auf der Straße vorm Haus sind genauso wenig Autos wie damals. Die Ähnlichkeit ist unverkennbar. Nur sind wir kein Paar mehr. Und das ist nicht die einzige Neuigkeit.

Sonntag, 15. Dezember 2013

Von Reichtum und Liebe

Heute Morgen um kurz nach sechs startete ich zu einem Läufchen. Vor der Tür stelle ich fest, dass Ekelwetter herrscht. Böiger Wind stiebt Nieselwolken durch die leeren Straßen des Stadtzentrums. »Egal« denke ich und laufe los. Zuerst passiere ich die City Mission, eine Einrichtung, die wir in Deutschland als Suppenküche bezeichnen würden. Danach kommt eine kleine Kalksteinkirche. Als ich dorthin schaue, muss ich für einen Moment innehalten.

Samstag, 16. November 2013

Ich weiß nicht, ob es besser wird



Niemand kann sagen, wie alt die Kapelle am Wegesrand ist. Angeblich errichtete ein Dankbarer sie der Heilgen Korona, die hier im zarten Alter von 16 Jahren ermordet wurde. Weshalb man die gemeuchelte Jungfrau zur Schutzpatronin der Glücksspieler erkor, darüber schweigen die Annalen. Lange schon redet man in der Gegend davon, dass mit der Dame auf ihrem Sockel etwas nicht stimmt. Die Menschen tuscheln, dass sie Wunder täte. Wer dies jedoch laut sagt, wird ausgelacht.

Immer sonntags zur gleichen Stunde betritt ein Landstreicher den winzigen Kirchenraum. Er betet still vor sich hin, wobei die Märtyrerin lächelnd auf ihn herab sieht.

Freitag, 18. Oktober 2013

Der letzte Film

“Wenn er morgen sterben sollte, so haben seine Augen viel mehr gesehen als die Augen der Allermeisten.”

Diesen Satz schrieb der Schriftsteller Paulo Coelho. Er hat insgesamt über 135 Millionen Bücher verkauft und den Alchemisten, aus dem das Zitat stammt, allein mehr als 30 Millionen mal. Trotzdem hielt ich noch keines seiner Werke in den Händen - bis vorige Woche. Irgendwie verspürte ich keinen Appetit auf Romane, die von Literaten verrissen, von Lesern jedoch wie blöd gekauft werden.

Freitag, 11. Oktober 2013

Bin ich alt?

Nein, ich will nicht jammern, wie mancher beim Lesen des Titels eventuell vermutet. Es geht im Gegenteil um etwas Positives. Ich feiere gerade einen sehr runden Geburtstag. Heute vor einem halben Jahrhundert bin ich geboren. Wenn ich als Jugendlicher oder junger Erwachsener Menschen sah, die derart viele Jahre mit sich herumschleppten, taten sie mir oft leid. Ich fragte mich, wofür es sich in dieser Altersklasse wohl noch zu leben lohnt. Das war dumm, und meiner Unerfahrenheit geschuldet.

Ja, vor einigen Generationen gehörte man tatsächlich zum alten Eisen, sobald man 50 war. Man war »verschlissen von harter körperlicher Arbeit, mangelnder Hygiene und nicht vorhandener Gesundheitsvorsorge.

Donnerstag, 26. September 2013

Wie ein Tropfen im Fluss

Auftauchen und verschwinden sind zwei Seiten derselben Medaille. Vieles einstmals Wichtige verlieren wir aus unterschiedlichen Gründen aus den Augen. An seine Stelle tritt oft etwas, von dessen Existenz wir bis dahin nichts ahnten. Vom Alten bleiben Abdrücke, die ich Lebensbeulen nenne - meistens jedenfalls - manchmal aber auch weniger - eine Erinnerung vielleicht nur. Um die Hinterlassenschaften herum taucht ab und an auf einen Schlag Neues auf, ist plötzlich da und füllt leer gewordene Räume.

Sonntag, 15. September 2013

German Angst

Gestern Abend stand ich mit einem Guiness in der Hand im Pub an der Ecke. Lautstark feuerte man die Rugbynationalmannschaft an. Diese zog wieder mal in einen Krieg. Diesmal ging es gegen Südafrika. Gänsehautstimmung! Der Sport und die Mannschaft der »All-Blacks« sind nationales Kulturgut, Droge und Scheidungsgrund und die unangefochtenen Helden eines jeden Kiwi.

Das Spiel begann wie immer mit einem Stück Maorikult. Dabei stampfen die Riesen einen Furcht einflößenden Tanz in den Stadionrasen und brüllen den Text des »Haka« genannten Spektakels ins Stadionrund. Der Gesang erzählt von Leben und Tod und dem großen haarigen Mann, der die Sonne besiegt und vor Kampfeskraft, Mut und Zuversicht nur so strotzt. Ich staunte, dass die armen Südafrikaner nicht schon angesichts dieses Gebrülls und der unzweideutigen Gebärden Reisaus nahmen.

Dienstag, 3. September 2013

Es ist nicht der Ort

Juli 76 - ich sitze als 12-Jähriger im vollen Nachzug Richtung Ostsee - allein. Die Reise startete gegen 9 am Abend und nun bummeln wir gelassen der Küste entgegen. Ringsum krähen Kinder. Muttis verteilten mitgebrachtes Essen auf geschirrtuchbedecken Fensterbrettern und Väter lassen Schnapsflaschen kreisen. Der ausgelassenen Stimmung merkt man an, dass die meisten sich auf dem Weg in den Urlaub befinden.

Weil ich an den DDR-Meisterschaften im Volleyball teilnahm, fuhren meine Eltern vor ein paar Tagen schon mal voraus in ihren, respektive unseren Jahresurlaub. Haarklein hatten wir die Einzelheiten meiner Nachreise zigmal geplant. Immer wieder fragte meine Mutter ‚Du hast doch keine Angst, oder?'

Sonntag, 4. August 2013

Panta Rhei

Die ungewöhnlich klingende Formel stammt aus dem Altgriechischen und wird dem Philosophen Heraklit zugeschrieben. Von seinem Werk blieb kaum etwas erhalten, die wenigen Fragmente jedoch inspirierten ganze Scharen von Denkern. »Panta Rhei«  bedeutet »alles fließt«. Der Gelehrte sagte das übers Leben und die Gesamtheit dessen, was uns umgibt.

Schon während meiner Jugend in der DDR begegnete mir die Aussage, trug doch eine der bekanntesten ostdeutschen Rockgruppen jenen Namen. Ein Hauch von Anarchie und Aufruhr umwehte die Band, obwohl es in Wirklichkeit keinerlei Verbindung dahin gab. Der sinnschwangere Spruch allerdings spielte mit der Endlichkeit des Irdischen und dies schloss das Märchen vom Kommunismus irgendwie ein.

Samstag, 29. Juni 2013

Lügen ist manchmal richtig, ehrlich...

Gestern erhielt ich eine aufregende Nachricht. Augenblicklich schlug mein Herz schneller. Zum einen, weil ich sah, wer da schrieb, zum anderen wegen des Themas, das die Schreiberin ansprach. ‚Warum bist du so verdammt ehrlich?‘ wollte sie wissen und noch schlimmer, weshalb ich meine Gedanken per Blog in die ‚Öffentlichkeit‘ trage. ‚Ertappt‘ dachte ich und konnte tatsächlich keine plausible Erklärung liefern. Meine Spontanantwort lautete, dass ich wohl früher einfach zu oft gelogen hätte und mich heute irgendwie ausgehungert nach Wahrheit fühle. Das schien zumindest nicht ganz falsch zu sein, fühlte sich jedoch auch nicht komplett an.

Sonntag, 16. Juni 2013

Die achte Todsünde

Vor vierzehn Tagen startete ich in meiner neuen Heimat Neuseeland, um Urlaub in der »Alten Welt« zu machen. Seltsames Gefühl. Du reist zu den Plätzen, an denen dein Leben stattfand, die dir vertraut sind wie die Märchen aus Kinderzeiten. Dorthin wo sich alles zu dem formte, was dich ausmacht und du beginnst, mit den Augen des Reisenden Orte und Menschen neu zu entdecken.

Beim Aufbruch freilich gab es nur einen Gedanken: meine Ehe zu retten. Schon im ersten Treffen jedoch kapierte ich, dass es entweder zu früh oder zu spät dafür war. Lange vor dem ursprünglich fürs Grab geplanten Abschied umarmten wir uns am Flughafen von Palma. So muss es sich vorm Sarg anfühlen dachte ich und rannte los zum Vergessen, Verdrängen, Abschütteln.

Samstag, 8. Juni 2013

Der dicke Mann im roten BMW

Der Titel des Blogs stammt von Timothy Feriss. Er nutzt die Formulierung als Metapher für die satten, selbstzufriedenen Typen in unserer Gesellschaft. Feriss ist Amerikaner und gebraucht interessanterweise trotzdem die deutsche Edelkarosse und nicht eines der überdimensionalen Pendants aus seinem Land. Ob da ein tieferer Sinn dahinter steckt, überlasse ich deiner Fantasie.

Außer dem Streben nach Geld und dem, was sich dafür kaufen lässt, kennt der dicke Mann keine Interessen. Vielleicht bemüht er sich eben noch, Genuss und Langeweile zu kultivieren. Weiteres verbannte er aus seinem Leben. Mir erschien das Bild vertraut, da ich mich selbst auf dem besten Weg dorthin und vor allem zu der damit einhergehenden Bequemlichkeit befand.

Freitag, 7. Juni 2013

Ich liebe Rom

Vor Kurzem verlor ich die Liebe meiner Frau. Die Reise, die mich nun zum gefühlt hundertsten Mal in die Stadt meiner Träume führt, war für uns beide gedacht, für Katrin und mich. Anlass war der heutige 13. Jahrestag einer SMS, die ich von ihr erhielt und die wir als den Beginn einer aufregenden Zweisamkeit sahen. An einem Dreizehnten heirateten wir seinerzeit und 13 Jahre nach dem Tag unseres Kennenlernens endet die Story.

Gestern kam ich nun in Rom an. Und ich muss bekennen, dass der Verlust der einen Liebe, meine Empfindungen für diesen wunderbaren Ort auf ein unglaubliches Maß steigert. Stundenlang lief ich erstmals allein durch die Straßen und genoss jedes Geräusch, jede Farbe und all die oft schmuddeligen Details, die die Ewige Stadt ausmachen.

Samstag, 18. Mai 2013

Die Differenz zwischen null und eins


Analog und digital - zwei Begriffe, über die wir im IT-Zeitalter andauernd stolpern. Dank der Informationstechnologie eroberten beide in den letzten 20 Jahren einen festen Platz in unserem Wortschatz. Fast jeder kennt sie und manch einer hat sogar eine Idee, um was es sich dabei handelt. Für diejenigen und für die anderen ist dieser Text gedacht.

Aber keine Angst, es geht nicht um Bits und Bytes. Ich möchte lediglich ein paar Gedanken los werden, die mir zurzeit zwischen Bauch und Kopf hin und her kriechen. Und die haben nicht das Geringste mit Mathematik und Elektronik zu tun. Vielmehr steht das Leben im Mittelpunkt. Bevor ich jedoch darauf eingehe, müssen wir einen kurzen Blick auf die Bedeutung beider Worte in der Technik werfen.

Samstag, 20. April 2013

Stay Hungry, Stay Foolish

Laufen ist wie zaubern - es verflüssigt das Denken. Trägt man etwas mit sich herum und vermag nicht es zu greifen, kann ich jedem nur raten, die Laufschuhe anzuziehen und loszurennen. Panta rhei - alles fließt - stellte der Philosoph Heraklit vor zweieinhalbtausend Jahren fest. Obwohl er dabei nicht explizit den Sport im Sinn hatte, fällt mir seine Aussage immer ein, wenn sie bei mir anfangen zu fließen, die Gedanken. Gerade komme ich von meiner heutigen Laufrunde zurück. Neben den Gedanken floss auch eine Menge Schweiß. Bevor ich den allerdings abdusche, warte ich gern ein Weilchen, um meinem Kreislauf Zeit zum Herunterfahren zu geben. Während dieser »Abschwitzphase« werde ich erzählen, was mir eben durch den Kopf ging.

Samstag, 30. März 2013

Unendlichkeit


6,45 Uhr morgens. Unsere Maschine beginnt mit dem Landeanflug auf Wellington. Es ist der frühen Stunde geschuldet, dass ich einem fantastischen Spektakel beiwohnen darf.

Links von mir teilt ein Streifen Blau die Schwärze der Nacht. Kurz darauf schiebt sich Orange zwischen das Dunkel des Meeres und den Himmel und alles zusammen formt den Horizont. Immer schneller wächst aus diesem schmalen Band der neue Tag. Ich drücke mein Gesicht an das kalte Fenster des Fliegers und vergesse wo ich bin. Schaue ich nach Westen, sehe ich nichts außer Dunkelheit. Trotz meiner 1,96m Größe fühl ich mich klein, winzig sogar und unbedeutend - Demut nennt man dieses Gefühl wohl.