Mittwoch, 25. Dezember 2013

Von gecrashten und neuen Träumen

Heute ist der 25. Dezember, überall erklingt Merry Christmas und ich erinnere mich an die Zeit vor genau einem Jahr. Damals schrieb ich über den Eindruck der ersten Weihnachten bei 26 Grad Celsius. Im Blog hielt ich fest, wie meine Frau und ich uns auf die Zukunft hier in Neuseeland freuten und wie wir das Hiersein genossen. Beim Lesen des Textes fühle ich noch immer die Zuversicht dieser Tage. Am Ende stand die wundervolle Feststellung: »Das Leben ist schön!«

12 Monate später hat sich etwas verändert. Sie sitzt in Deutschland bei ihrer Familie und ich auf dem Balkon meines Appartements in Aucklands Hobson Street. Auf der Straße vorm Haus sind genauso wenig Autos wie damals. Die Ähnlichkeit ist unverkennbar. Nur sind wir kein Paar mehr. Und das ist nicht die einzige Neuigkeit.
Die Ruhe der Feiertage bietet wie immer einen guten Anlass, nachzudenken. Ich sinniere darüber, was das vergangene Jahr war, was alles passiert ist und wie die dramatischen Änderungen sich auswirkten. Es brachte mir einige der glücklichsten und auch unglücklichsten Stunden meines Lebens. Ich ertrug das Ende meiner Ehe und die jammervolle Trauer wegen dieses Verlusts. Bei meiner ersten Reise nach Deutschland als Urlauber überwältigte mich trotz der Traurigkeit, die Freude über Freundschaften und über meine Familie. Kurz danach, viel zu schnell, verliebte ich mich erneut und lernte, wie schwer es ist, sich auf Neues einzulassen und sich dabei aus eingemeißelten Gewohnheiten zu befreien. Außerdem traf ich Menschen, die wie ich denken und welche die meinen Blick weiteten. Andere brachten mir bei das Leben in allen Farben wahrzunehmen und kürzlich fasste ich auch noch den Entschluss, meinem Leben beruflich eine grundlegend neue Richtung zu geben.

Reflektiere ich die Flut der Ereignisse, so drängt sich ein Eindruck in den Vordergrund. Ich war unglücklich, und zwar sehr, allerdings nicht wegen des Verlusts meiner Ehe, wie mir schmerzhaft bewusst wurde. Der wahre Grund liegt darin, dass mein Lebensplan und die freudig geträumten Träume crashten. Diese Erkenntnis tut weh, weil ich begriff, dass Liebe, wie ich sie verstand, vielleicht nicht mehr als eine Illusion ist. Und sie tut weh, weil die Zukunft, die ich gern als »unsere« gesehen hätte, zerstört ist.

Ein Ende ist aber bekanntlich gleichzeitig der Anfang von etwas Neuem. Nur machen Neuanfänge Angst, da Gewohntes einfacher, vorhersehbarer und damit leichter scheint. Ohne Veränderungen jedoch gibt es keine Entwicklung, wir stagnieren und alles bleibt, wie es ist. Wir bleiben in der Grube hocken. Je nachdem, wie steil ihre Wände sind und wie tief sie ist, sehen wir mehr oder weniger vom Himmel. Die ganze Größe des Himmelszeltes erblickt allerdings nur, wer oben sitzt, am Rand des Lochs, besser noch, wer einen Hügel erklimmt.

Ein geänderter Lebensplan kann eine solche Verbesserung der Aussicht sein. Ich habe festgestellt, je mutiger der Schritt ist, desto stärker erhebt man sich und um so weiter reicht der Blick. Mein neuer, ungewohnter Zukunftsentwurf steht. Es wird unbequem und anstrengend. Keine Ahnung ob ich es schaffe Bücher zu schreiben, oder besser, davon zu leben. Aber ich finde es heraus. Ingenieur bleibt lediglich die »Sicherheitsoption«. Alles Nötige ist getan. Und hier ist das Beste: Der Plan macht mich nicht nur unsicher, sonder bereits fast glücklich. Und das ist mehr als ich vor einigen Wochen zu hoffen wagte.

Verrückt, sagst du? Ja, ist es. Komplett. Vielleicht spinne ich ja auch, aber es war mein Traum, lange schon. Und Träume sind da, um gelebt zu werden. Sonst verschwinden sie wieder.

Das Leben ist schön.

Fröhliche Weihnachten, ein gesundes neues Jahr und Danke fürs Zuhören.
Jürgen