Sind wir Deutschen nicht ein seltsames Völkchen? Wir schlagen den Boden aus Fässern, wenn wir uns entrüsten. Gefällt uns jemand, haut es uns aus dem Schuhwerk. Haben wir die Sprache wiedergefunden, vergleichen wir ihn oder sie mit einem Hammer. Manchmal zerbrechen wir antikes Kriegsgerät, wie eine Lanze, um uns für etwas einzusetzen. Ohne darüber nachzudenken, benutzen wir derlei Redewendungen. Lustig wird es, wenn man sich ihre wörtliche Bedeutung vor Augen hält: „Ich bin geplättet“ zum Beispiel ... na da kommen mir Bilder :-)
Eigentlich will ich mich aber gar nicht über derlei Phrasen verbreiten. Sie kamen mir nur in den Sinn, als ich überlegte, mit welchen Worten sich ein Erlebnis aus dem letzten Jahr am griffigsten beschreiben ließe. Und weil das was ich meine mich tatsächlich „plättete“, möchte ich heute ... Achtung! ... „eine Lanze dafür brechen“. Wovon ich rede? Peinlich, peinlich! ... Vom Online-Dating! Als ich seinerzeit von Neuseeland nach Deutschland zurück-auswanderte, oder besser zu dem Zeitpunkt, als ich beschloss meine Reisejahre zu beenden, entschied ich mich auch, nicht mehr darüber zu trauern, dass meine Frau mich ein Jahr zuvor sitzengelassen hatte. Es dauerte, bis aus dem Vorsatz ein Gefühl geworden war. Ab da aber ging es mir, wie Millionen anderen frischen oder gestandenen Singles: Ich wünschte mir eine neue Partnerin. Alleinsein ist nämlich Mist!
Leider sind die Zeiten, in denen das Wünschen noch geholfen hat, vorbei. Also blieb mir zum Beenden des ungeliebten Zustandes nur, die Initiative zu ergreifen. Ausgehen. Frauen ansprechen. So macht man das doch. Dachte ich und merkte schnell, dass die potentiellen „Zielpersonen“ und mehr noch ich selbst, nicht mehr unbekümmerte 18 sind. Es war schwierig! Meist wagte ich den ersten Schritt nicht, war ich aber doch mal mutig, bekam ich ein Körbchen, was den Mut nicht gerade förderte. Irgendwann sah ich dann eine Werbung von parship.de. Allerdings war es mir suspekt im Internet, nach einer Partnerin zu suchen. Das machen doch nur die, die im echten Leben nix auf die Reihe kriegen.
Aber ich war ja einer von „denen“ und darum probierte ich bald die ersten kostenlosen Angebote. Dabei durfte ich feststellen, dass in Wirklichkeit kaum eine Singlebörse „nichts“ kostet. Zumindest, wenn man tatsächlich jemanden kennenlernen möchte. Die Wege zum Kassieren sind unendlich. Punkte kaufen, Werbung ausblenden, Erfolgschancen erhöhen, ... Ein leichtes Spiel für die Anbieter, denn der Drang, diese „wunderbaren Geschöpfe“ kennenzulernen, ist groß. War er bei mir auch. Zeitweise war ich auf vier Portalen gleichzeitig auf Suche. Am Ende konzentrierte ich mich aber auf die von vornherein Kostenpflichtigen. Sie sind zwar teuer, aber im Leben gibt‘s nun mal nichts Gutes für umsonst. Wie auch? Die Macher müssen ja auch ihre Rechnungen zahlen.
Dann ging es an die Details, und zwar daran, wie ich eines der Cyberwesen dazu bewege, auf genau meine Anzeige zu klicken, oder auf genau meine Nachricht zu antworten? Von beidem gibt es nämlich Unmengen. Die besten Erfahrungen habe ich damit gemacht, ehrlich zu sein. Und man muss etwas von sich preisgeben. Eine gute Story schreiben, mit Romantik und Abenteuer. Das hilft. Geheimnisvolles hilft auch. Wer nichts erzählt, bekommt auch nichts erzählt. Bilder sind wichtig, aber nur für den Erstkontakt. Kurioserweise erzielt man mit „außergewöhnlichen“ Fotos, die eben nicht die (vermeintliche) Schokoladenseite zeigen, mehr Erfolg als mit den schokoladigen. Verstehe einer die Frauen.
Apropos Frauen. Ihr habt in einer solchen Situation, so ihr denn echt seid, dieselben Probleme wie wir Männer. Überaschenderweise. Ich fand Sehnsucht nach Zweisamkeit und Wärme und Lust und alle anderen Dinge, die auch mich antrieben. Aber was bedeutet echt? Tatsächlich gibt es auch „Unechte“. Man erkennt sie daran, dass sie es sind, die einen durch Nettigkeiten dazu überreden, den „Kontaktbonus“ zu kaufen ... auf einem „kostenlosen“ Portal. Sobald du bezahlt hast, sind sie weg. Vielleicht sterben sie ja auch immer, kurz nachdem sich jemand angemeldet hat. Aber ein bisschen sieht es tatsächlich wie Abzocke aus. Sei‘s drum. Das Schreiben und Chatten und Anbaggern hat Spaß gemacht. Allerdings nur so lange, bis es zu einem Date kam. Da waren sie dann, meine „festgefahrenen“ Ansichten und ihre - und auch die Erkenntnis, dass Erwachsene auf Freiersfüßen, das Überraschungspotential einer Wundertüte bieten.
Eine schimpfte mit mir, als wenn ich ein Eheversprechen gebrochen hätte, nachdem ich ihr sagte, dass das mit uns keine Chance hat. Eine wollte mich überreden zu ihr zu ziehen und ihre gerade gekaufte Villa zu renovieren. Eine andere riet mir, mir das Thema Partnerschaft abzuschminken. Es ginge ums Körperliche, und zwar immer und ausschließlich und am besten noch heute. Das kürzeste Date endete nach gefühlten zwei Sekunden, als sie sich bei meinem Anblick auf dem Absatz drehte und verschwand. Ohne ein Wort. Nach 8 Bekanntschaften gab ich auf. Zu viel Zeit, zu viele nutzlose Gespräche, zu viel sinnlose Gedanken und zu wenig vom Wichtigen.
Also meldete ich mich ab. Genau das gestaltete sich auf einigen Portalen superschwierig. Nur ungern lassen die Portalbetreiber ihre Nutzer ziehen. Mit allen Tricks und Kniffen versuchte man, mir das Umsetzen meines Entschlusses zu erschweren. Auf einem Bezahlportal verlor ich den eingezahlten Beitrag, trotz Geld zurück Garantie. Schließlich war es aber geschafft und alle Profile waren gelöscht. Bis auf eins. Und das war eine App auf dem Handy, mit der man Partnersuchende in seiner Nähe findet. Ich hatte sie wenig benutzt und darum vergessen. Genau von dort bekam ich eines Tages eine Nachricht. „Nena“ wollte etwas wissen. Ihr Bild war dunkel und kaum erkennbar. Sicher wieder ein Fake, dachte ich, lud es aber trotzdem runter, weil ich glaubte, ein Lächeln zu erkennen. Wozu gibt es Fotoshop? Kurz darauf traute ich meinen Augen nicht.
Wow! Machte es in mir. Drei Nachrichten später telefonierten wir. Eine Stunde später saß ich im Zug zu ihr und kurz drauf wir beide mit einem Guiness uns gegenüber. Die Stimme von „Nena“ hatte es in sich. Schon beim Telefonieren ging sie mir durch Mark und Bein. Life war‘s noch besser. „Was ist das?“ dachte ich. Zwei Wochen nach diesem Tag küssten wir uns zum ersten Mal und heute sind wir ein Paar. Sie heißt natürlich nicht Nena. Aber das Bild war echt und gewollt dunkel, damit Bekannte sie nicht so einfach erkennen. Onlinedating ist eben peinlich! Na und? Mir egal. Nena und mir hat es genützt, den falschen Stolz liegenzulassen. Wir haben uns gefunden. Und wir sind glücklich darüber. Sehr!
Als ich sie zum zweiten Mal traf, das war der Moment, als ich geplättet war und darum zerbreche ich jetzt die Lanze fürs Onlinedating und für die Liebe und ich sage dir, tu‘s einfach, wenn du nicht mehr allein sein willst. Es ist eine Chance. Und vielleicht hat das Wünschen ja doch ein wenig geholfen ...
Danke fürs Lesen!
Jürgen
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