Montag, 29. Februar 2016

Die H&M‘s dieser Welt und eine Lösung fürs Abendland

Es gibt heutzutage kaum ein Land, das den Rest der Welt nicht irgendwie beeinflussen würde. Weil sich die Grenzen zwischen Staaten längst genauso verflüssigen, wie die zwischen Kulturen, wirken sich Wohlstand und Elend selbst im entferntesten Winkel der Erde, auf irgendeine Art auch auf alle anderen aus. Die Folgen der immer größeren Ungerechtigkeit bei der Verteilung des Reichtums begegnen uns daher mehr und mehr auch innerhalb unserer eigenen Länder.
Es ist die Vernetzung auf allen Ebenen: Wirtschaft, Politik, Militär, ... die dieses Zusammenwachsen wie ein Dünger beschleunigt. Da mutet es fast schon wie Maschinenstürmerei an, wenn wir längst abgerissene Schlagbäume wiedererrichten wollen, nur um uns von einer Entwicklung abzuschotten, die wir selbst in Gang gesetzt haben und die wir immer noch befeuern.

Es sind besorgte Bürger, die nach neuen Zäunen schreien, um die Abendlandkultur vor der zerstörerischen Kraft einfallender Moslemhorden zu schützen. Man bekundet Angst davor, dass unser Gemeinwesen irreparablen Schaden nehmen könnte und Bedenken, dass dieses Pack ein Stück des Kuchens fordert, der nicht mal groß genug für die Ureinwohner des Abendlandes ist. Natürlich fühle auch ich, dass die unzähligen hungrigen Mäuler, die da anmarschiert kommen, Probleme verursachen. Ich kann die Furcht davor verstehen, ehrlich. ABER, die Art, wie sie in vielen Fällen zum Ausdruck gebracht wird, kann ich nur missbilligen. Es ist einer abendländischen Kultur unwürdig, Kinder dunkler Hautfarbe zu bespucken, Flüchtlingsheime anzuzünden und ausländische Studenten zu verprügeln. Aber all das passiert und ich schäme mich für diejenigen, die ihre Besorgnis auf diese eher vorchristliche Art mit katastrophaler Orthografie buchstabieren.

Bei aller Angst vor Überfremdung, Ausländergewalt und Verlust trägt die Masse der Bedenkenträger trotzdem tagtäglich zur Verschlimmerung der Situation bei. Vielleicht unbewusst oder mangels Information, aber sie tun es. Denn selbst der nationalistischste Urdeutsche ist sich nicht zu national, um Bananen für 99 Cent aus der Dritten Welt, und damit aus den „Ursprungsländern“ der Flüchtlingskarawane zu kaufen. Dabei ist die Sache einfach: Mit jedem spottbilligen Hähnchen, das wir verzehren, jedem discountbilligen T-Shirt, das wir tragen und jedem Schnäppchenurlaub unter Palmen produzieren wir mehr Flüchtlinge. Jeder dafür ausgegebene Euro vergrößert die Kluft zwischen „denen“ und uns. Wenn als Ergebnis all dessen dann Asylsuchende, Hungernde und Kriegsvertriebene, an unsere Türen klopfen, fällt dem Wutbürger aber nichts anderes ein, als nach bewaffneten Grenztruppen mit Schießbefehl und höheren Zäunen zu schreien. Für mich ist das falsch und dumm obendrein.

Man kann Länder nun mal nicht zu Trutzburgen ausbauen, so wie das die Superreichen mit ihren Villen tun. Derartige Versuche scheiterten in der Vergangenheit bereits grandios. Und zwar nicht an der Qualität oder Höhe der Zäune, sondern an den Menschen. Was man stattdessen aber könnte, ist sämtliche Waffenlieferungen stoppen und geopolitische Interessen zugunsten der Leidenden in den Kriegsgebieten einstampfen. Kurz, man könnte den Frieden fördern und nicht den Krieg. Gleichzeitig und fast genauso dringend müssen wir aber auch aufhören uns an den Superbilligwaren aus der Dritten Welt, zu bedienen. Freilich ist es schwer zu verstehen, warum man ausgerechnet auf die billigen Dinge, die unsere finanzielle Last etwas mindern, verzichten soll. Dabei ist die Erklärung simpel: weil nämlich jedes Schnäppchen, das von den Äckern und aus den Ställen der armen Länder zu uns gelangt oder dort von Kindern zusammengenäht wird, die Kluft vergrößert.

Der Krieg in Syrien mag ein Auslöser sein, der zur Zeit Menschen in Strömen in den Westen treibt. Die Ursache ist er nicht. Diese liegt in der Art, wie Wirtschaft im Kapitalismus funktioniert und in unserer Rolle darin. Allerdings beginnt es mehr und mehr Zeitgenossen zu dämmern, dass irgendetwas falsch läuft, wenn man ein Hähnchen für 2,49 kaufen kann, ein T-Shirt für 3,- Euro oder Bananen für 99 Cent. Dabei braucht es gar nicht viel Überlegung, um herauszufinden, wie so etwas überhaupt möglich ist. Eigentlich gibt es nur drei Gründe dafür, dass Dinge immer günstiger werden, Händler aber trotzdem einen Rekordgewinn nach dem anderen einfahren: 1. Der Transport rund um die Welt ist spottbillig geworden, 2. die Energie zur Gewinnung und Verarbeitung der Rohstoffe ebenso und 3. macht die scheußliche Ausbeutung der Menschen in der Dritten Welt, Arbeit nach westlichen Maßstäben fast kostenlos. Soweit klar, oder? 

Das Widerwärtigste aber ist, dass diejenigen, die die Schnäppchen für uns herstellen, kaum etwas davon haben. Wer nämlich meint, dass er mit dem Kauf des drei Euro T-Shirts dem nähenden Kind in Pakistan zumindest einen Gefallen erweist, irrt gewaltig. Das einzige Ergebnis ist, dass dieses Kind weniger hungern muss, ansonsten aber bitterarm bleibt. Geld verdienen die, die die Fabrik besitzen, in der der Elfjährige schuftet. Darum gieren die Menschen dort ständig nach einer Chance, auf den voll beladenen Warenzug aufzuspringen, der ihre Länder in Richtung Westen, also in Richtung Wohlstand verlässt. Wer will es ihnen verdenken?

Und wir, die wir die Waren aus diesem Zug verbrauchen, werden, wenn nicht zu Tätern, dann doch zumindest zu Helfern. Denn mit jedem noch so kleinen Kauf befeuern wir das System der Ausbeutung, beweisen seinen Bedarf und das es funktioniert und wir machen ... die Armen etwas ärmer und die Reichen etwas reicher. Der wirkliche Gewinn aus dieser Verwurstung der Dritten Welt landet nämlich in den Taschen derer, die uns das Zeug verkaufen: Lidl, H&M, KIK, Roller, etc. Und das sind nur die deutschen Profiteure. Mit jedem Kauf überweisen wir Geld auf ihre Konten und betrügen die Arbeiter in den Entwicklungsländern um einen Lohn, der zum Leben reicht. Die ohnehin schon tiefe Kluft schaufeln wir damit noch tiefer. Der Aushub daraus stapelt sich mittlerweile himmelhoch. Schaffen wir es aber nicht, dieses Grabenvertiefen zu stoppen, bricht die aufgetürmte Masse eines Tages als Lawine über uns herein. Die heutigen Flüchtlingszahlen sind Kinderkram gegen das, was dann auf uns zukommt. Kein noch so hoher Zaun wird uns davor schützen.

Das alles klingt düster, zugegeben. Aber hey, hier sind die „good news“: Wo Schatten ist, gibt es nämlich glücklicherweise auch Licht. Die zunehmende Vernetzung und das dadurch bedingte Zusammenwachsen der Welt bringen auch Gutes mit sich. Unter anderem sorgen sie dafür, dass sich das Wissen um die hier dargelegten Zusammenhänge verbreitet. Besonders in der jungen Generation wächst das Verständnis und mit ihm die Ablehnung neokolonialer Machenschaften. Man beginnt zu verstehen, wo die Ursachen für die Ungerechtigkeit liegen und für die Flucht der Massen aus ihrer Heimat. Diese Erkenntnis setzt Veränderungen in Gang, die man zwar noch nicht flächendeckend wahrnimmt, die aber trotzdem schon geschehen und die am Ende, da bin ich sicher, die Geschichte in eine andere Richtung lenken werden.

Aussehen könnte das in etwa so: Der in Deutschland gepflückte Apfel ist zwar teuerer, als der aus Simbabwe, allerdings entscheidet man sich beim Kauf trotzdem für ihn, weil lokal produzierte Ware für alle die bessere Wahl ist. Oder: Bananen, Kaffee und Ananas unterscheidet man nicht mehr in Fairtrade und Discount, sondern bezahlt immer so viel, dass die Produzenten davon leben können. Oder: Man kauft das T-Shirt aus einer Manufaktur irgendwo im schwäbischen, obwohl es zehnmal teurer ist, als sein Pendant aus einem Sweat-Shop in Islamabad. Derartige Dinge geschehen bereits oder könnten mit wenig Aufwand und etwas gutem Willen in Gang gebracht werden. Geiz darf einfach nicht mehr ganz so geil zu sein. Indem unsere Bereitschaft zum Erwerb von Billigwaren aus Entwicklungsländern abnimmt und wir uns auf lokal hergestellte Waren fokussieren, erlangen mehr Menschen vor Ort ein besseres Einkommen. Gleichzeitig nimmt die Chance für Ausbeutung in der Dritten Welt ab. Ein kleiner Nebeneffekt: Die Reichen werden nicht mehr ganz so schnell reicher und die Armen etwas weniger arm. 

Wenn wir am Ende noch das Geld, welches heute in die Aufrechterhaltung der maroden Systeme fließt, in Waffengeschäft und Bestechung sinnvoll investieren würden und Demokratie lehrten, anstatt Gewalt. Wenn wir Know-how anstelle von Entwicklungshilfe transferieren würden. Wenn die Gewinne aus den Ausplünderungen der Ressourcen wenigstens teilweise denen zukämen, die sie mit ihrem Schweiß erschaffen haben. Genau dann könnte die Welt wirklich zu einem besseren Ort werden. Und dann bräuchten wir die neuen Schlagbäume und Zäune vermutlich gar nicht, sondern müssten die Menschen aus anderen Ländern bitten zu uns zu kommen, um bei der Bewältigung unserer demographischen Zukunftsprobleme zu helfen.

Und für diejenigen, die ernsthaft besorgt sind um das Wohl des Abendlandes und um ihr eigenes: Es nützt nichts, Flüchtlingsheime anzuzünden und auf Demonstrationen zu pöbeln. Auch Asylsuchende wie Aussätzige zu behandeln bringt dich nicht weiter. Falls du endlich etwas Wirkungsvolles tun möchtest, dann hör auf, Produkte der Ausbeutung zu kaufen. Greife zu fair produzierten oder lokal erzeugten Waren, auch wenn sie teurer sind. Durch dein Verhalten zeigst du, dass du Neokolonialismus nicht mehr akzeptierst. Du stärkst damit deine Heimat und schwächst die Macht derer, die es verstehen, den Wohlstand der Welt in ihre Taschen umzuleiten. Gib zu erkenne, dass du den Mechanismus kapiert hast, rede mit deinen Nachbarn darüber. Teile diesen Blog und tu, was immer es braucht, die Ausbeutung der Dritten Welt zu beenden. Dem Abendland ist damit am besten geholfen. 

Danke fürs Lesen.

Jürgen

Übrigens kann man meinen Blog hier abonnieren. Es dauert nur eine Minute. Und über ein "Like" auf meiner Facebookseite freue ich mich natürlich auch. Dankeschön :-)